Überraschend eindeutig fiel das gestrige Votum der Volksabstimmung in Baden-Württemberg zum Kündigungsgesetz von Stuttgart 21 aus: Bei einer geringen Wahlbeteiligung von nur 48,3% (Was sagt das aus?!), stimmte die Mehrheit mit 58,8% gegen das Kündigungsgesetz zu Stuttgart 21 (und nur 41,2% dafür). Nicht einmal in Stuttgart selbst wurde eine einfache Mehrheit für das Kündigungsgesetz erreicht.
Während im Vorfeld – und eigentlich jetzt noch mehr – meist nur „Pro Stuttgart 21“ (Nein in der Abstimmung) oder „Contra Stuttgart 21“ (Ja in der Abstimmung) propagiert wurde, habe ich selbst aus einem ganz anderen Grund mit Nein gestimmt.
Was hätten wir denn für ein Zeichen gesetzt, wenn wir der Landesregierung gestattet hätten, Verträge mit Unternehmen einfach mir nichts dir nichts aufzukündigen? Welches Unternehmen hat dann künftig noch Interesse, mit der Regierung überhaupt noch Verträge zu machen? Ob man einen Vertrag macht oder nicht, sollte sich jeder Vertragspartner vorher überlegen.
Erschwerend kam die verwirrende Abstimmungsmethodik hinzu: „Bist du gegen S21, stimme mit Ja“ und umgekehrt. Vielen war nicht einmal bewusst, dass es hier vor allem um ein Gesetz ging, dass letzthin dazu hätte führen können, dass Verträge zwischen Land (Baden-Württemberg) und Unternehmen nicht mehr das Papier wert wären, auf das sie geschrieben sind.
Nun sage ich keinesfalls, dass ich gegen Volksentscheide bin – im Gegenteil! Ich bin ein großer Befürworter davon, das Volk in Entscheidungen mit einzubinden. Aber hier wurde eine Entscheidung bereits getroffen und ein verbindlicher Vertrag eingegangen! Man stelle sich nur einmal vor, irgendein Unternehmer käme auf die Idee, im Nachhinein einen Vertrag außerhalb der Laufzeit und jenseits geltenden Rechts einseitig zu kündigen. Dafür gibt es nunmal Verträge: zur Absicherung beider Vertragspartner. Das Recht nachträglich und rückwirkend zu eigenen Gunsten anpassen zu wollen, ist schlicht skandalös.
Die Frage, ob das Gesetz durch kann oder nicht, wurde ja auch bereits im Landesparlament geklärt – und zwar mit einem Nein. Jetzt noch den Volksentscheid hinterherzuschieben ist Heuchelei.
Mir geht es also hier nicht um „Pro S21“, sondern um das Prinzip, das die Regierung (auch künftig) nicht einfach machen kann, was sie will, und Verträge nur noch geduldiges Papier sein sollen. So etwas geht einfach nicht. Dass künftig das Volk mehr einbezogen wird, finde ich ja prima. Aber wenn ein Land rückwirkend praktisch machen kann, was es will… was sind dann Verträge noch wert?
Also: Ja, ich bin froh, dass besagtes Gesetz vom Volk gekippt werden konnte. Und: Nein, ich bin damit nicht automatisch ein Stuttgart-21-Befürworter. Dennoch wurde auch dies nun eindeutig entschieden, und ich hoffe, dass die Volksabstimmung als letzte demokratische Instanz (nach komplettem nicht anerkannten Schlichtungsverfahren!) nun von den S21-Gegnern – wenn auch schweren Herzens – akzeptiert wird. Man muss auch wissen, wann Schluss ist.